Mittwoch, 9. März 2016

FULL METAL JACKET (Filmtherapie 012/275) oder: Wie der Mensch lernte das Gewehr mit dem Smartphone zu ersetzen

Full Metal Jacket oder: Rituale der Entmenschlichung und des Untergangs der Individualität



Luigi oder: Warum vor 20 Monaten ein Handyverbot im Laden und unter den Lauben eingeführt wurde:
Luigi, aufgewachsen in Loco im Onsernonetal TI, pilgerte bis kurz vor seinem Tod, fast jeden Tag von Köniz in die Altstadt, um dort, jenseits der oberen Altstadthektik, den Austausch mit Menschen aller Art zu finden. "Im Bus kann ich mit niemandem mehr reden, denn die Jungen machen immer nur so, so". Während er dies sagte, fuhr er dabei mit seinem rechten Zeigefinger mehrmals über seine linke Handfläche, als wäre auf dieser ein Smartphone und äusserte sich lautstark weiter: "Der Staat sollte intervenieren." Ich bin zwar leider nicht der Staat, dafür Ladenbesitzer, dachte ich mir und so setzte ich Luigis Forderung letzten Sommer in ein Mobiltelefonverbot unter der Laube der Rathausgasse 38 um. Denn Luigis direkte Art, seine Hör- und Erinnerungsschwäche konnte viele lebensfremde digitale Eingeborene irritieren. Und was machen diese in solchen Fällen? Sie versperren sich der Begegnung mit dem unbekannten Fremden. Sie kompensieren ihre Verlegenheit, in dem sie in ihre Hosentaschen greifen, ihr Mobiltelefon-Computer hervornehmen und in ihr kleines, eigenes Schaufensterchen hineinschauen.

Statt mit kaltem Computerlicht wurden sie an diesem Ort von Luigis warmherzigen Lachen angestrahlt und anfängliche Verständnisprobleme wurden nicht mit einer Applikation dafür mit Charme, Enthusiasmus und Witzen wettgemacht.
Auszug aus meinem Nachruf über Luigi Spadini in der Brunne-Zytig 2015.

Abschreckungsstratege Dr. Strangelove ersetzt beim Gebet "This is my rifle" das Gewehr mit dem Smartphone und findet erstaunliche Parallelen zwischen dem beiden Werkzeugen Smartphone und einem Gewehr.

Das hiä isch mis Handy.
Es gid en Huufe. Aber das dada isch mis.
Mis Handy isch mi bescht Fründ.
Es isch gäbig. Es isch mis Läbe.
Ich muäss es meyschtere,
wiän ig mis Läbä meyschetere muess.
Ohni mi, isch mis Handy nutzlos.
Ohni mis Handy, bi ou ig nutzlos.
Mis Handy schützt mi vor Begägnige.
I muess es meh strichele, als au andere.
Wiu süsch chönt öpper mi aspräche.
Mis Handy u mis Fingerbeeri
si Empfänger vo mim Läbä.
In auer Ewigkeyt, In Dankbarkeit. Amen!


Solche Menschen wird eine von Fingerbeeren-Empfangsgeräten beherrschten Welt wohl kaum wieder hervorbringen. Deshalb arbeite ich an einem Initiativtext für die freie Wahl von Gastronomen, ob sie das begegnungsfeindliche Rauchverbot oder einen Handystörsender in ihrem Betrieb installieren wollen.




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